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LZ: In der Nasenschule des Robert Gierer

LZ-Leser tauchen ein in eine Welt brennender Leidenschaft

BODOLZ– Irgendwann sagt einer aus der fröhlichen LZ-Leserrunde, dass man auch mit Alkohol fröhlich sein kann. Aber wenn schon, dann bitte mit ganz viel Geschmack drum herum. Zu diesem Zeitpunkt ahnen die Gewinner der Degustation noch nicht, wie sehr sie dem Zauber eines einzigen Mannes und seinen formidablen Edelbränden erliegen werden. Dieser Mann heißt Robert Gierer.

Er destilliert in der vierten Generation Brände und Geiste in Bodolz, an denen sich Küchenkoryphäen wie Alfons Schuhbeck kaum satt schnuppern können. In Sterne-Restaurants sind seine Erzeugnisse zu Hause. Genießer mögen Hochprozentiges. An diesem Abend sitzen ebenfalls Kenner an der Tafel in den urwüchsigen Degustationsräumen des Obsthofs. Angelika Rangl-Röhl ist eine von ihnen. Sie staunt über die schweren Holzbalken, die kunstvoll geschmiedeten Fenster und Tore, den roten Steinboden. Die LZ-Leser, die diese exklusive Degustation gewonnen haben, haben als Genießer alle einen Bezug zu gutem Hochprozentigen. Kann bei einem derart sachkundigen Publikum ein Robert Gierer mit seinen Produkten bestehen? Aber ja doch! Vor jeder Person stehen nicht weniger als zehn Gläser mit zumeist klaren Flüssigkeiten. Zunächst holt Gierer aus, erzählt von den Generationen vor ihm, die hier in Bodolz schon Früchte in Brände verwandelt haben. Dann kommt er langsam zum Herstellungsverfahren, was den ungeduldigen Genießern bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Ein wenig Gläserkunde, ein bisschen Brenn-Philosophie, und dann kommt es zur Begegnung mit Glas eins: „Gehen Sie mit der Nase ein“, ermuntert Robert Gierer. Sogleich erfüllt ein hörbares Schnuppern den Raum. Die ersten Spekulationen gehen in Richtung Birne – und in der Tat: Was da seine volle Frucht und Reife im Glas aufsteigen lässt, ist ein Williams erster Güte. „Stellen Sie sich die Frucht vor, bevor sie nippen.“ Der Spaziergang durch die verschiedenen Obstbrände geht weiter: Schlehe, Waldhimbeere, Kirsche…

„Ach du meine Güte, ist der fein“, ruft Stefanie Jöckel aus Nonnenhorn, als sie beim Haselnussgeist ankommt. Glasklar das Destillat, doch die Nase sagt, es muss sich um Nutella handeln. Man müsse schon eine Menge Früchte einsetzen, um der Haselnuss seine volle Aromenvielfalt herauszukitzeln, doziert Robert Gierer, während seine Zuhörer in lockerer Stimmung inzwischen gelernt haben, ihre Nase noch präziser einzusetzen. „Und warum riecht der Aprikosenlikör nach Mandeln?“, fragt Ursula Jöckel. „Das liegt an den Kernen, die mitgebrannt werden“, sagt Gierer. Zur Neutralisierung der vielschichtigen Aromen bedienen sich die LZ-Leser immer wieder am edlen San-Daniele-Schinken, an den reifen Parmesanspänen und am frischen Brot. Und so bewegt sich die geschmackvolle Rundreise durch die wundersame Aromenwelt des Robert Gierer an ihr Ziel. Das Finale ist eine Art „Wünsch Dir was“. Jetzt darf jeder noch nach eigener Vorliebe einen der über 25 Brände, Liköre, Essige oder Öle probieren. Das Ehepaar Schlücker aus Bodolz ist noch ganz verzaubert: „Ich habe schon viel von Gierer gehört. Aber dass es wirklich so gut ist, hätte ich nicht geglaubt“, sagt Edeltraud Schlücker und ihr Mann Dierk meint sogar: „Der sorgt noch dafür, dass man bald sagt, Lindau liegt bei Bodolz und nicht umgekehrt.“ Edmund Jäger gibt an, er habe sein Interesse für gute Brände vertiefen können. Auch Birgit Weber aus Lindau sagt, sie habe viel gelernt und wisse jetzt, dass ein Edelbrand nicht nur eine Verdauungshilfe ist, „sondern ein Genuss zu ganz unterschiedlichen Gelegenheiten“. Angelika Rangl-Röhl muss nach der Verkostung des Vogelbeerbrandes zugeben, dass „der von Gierer besser ist als der aus meiner österreichischen Heimat. Aber nicht weitersagen!“ Robert Gierer hat an diesem Abend aufgeschlossene Genießer in eine Genusswelt eingeführt, deren Existenz sich viele Menschen gar nicht bewusst seien, wie er sagt. „Mit Alkohol hat das wenig zu tun, in erster Linie mit Geschmack“, sagt er und schüttelt ein Glas mit seinem Elvados aus, einem sortenreinen Brand aus Elstaräpfeln, gereift im Eichenfass: „Jetzt ist der Alkohol vollkommen verflogen. Was bleibt, ist das Aroma.“ Fürwahr: Im Glas erzählt ein lieblicher Duft von der reifen Frucht. Die fröhlichen Genießer schnuppern intensiv, wie sie es gelernt haben. Irgendwer sagt: „Jetzt sind wir geübte Schnapsnasen.“ Das aber ist übertrieben. Denn: „Um einen guten Brand zu genießen, braucht es nur eine minimale Menge“, erklärt Gierer.

Von Erich Nyffenegger inderNasenschuldedesRobertGierer