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SZ – Menschen: Die Leidenschaft fürs Brennen brennt.

Robert Gierers Edelbrände werden in der deutschen Spitzengastronomie kredenzt.

Robert Gierer gehört zu den Großen. Zu den ganz Großen. Der 41-Jährige misst nämlich genau zwei Meter. Doch wäre nicht diese imposante Körperlänge, Gierer selbst würde sich nie als ganz Großen bezeichnen. Stolz ist der Lindauer Obstbaumeister und Destillateur allerdings schon auf das bisher Geleistete. Seine Edelbrände und Liköre bilden den krönenden Abschluss eines feinen Silvestermenüs, werden in der Spitzengastronomie Deutschlands serviert, zum Beispiel im Villino in Lindau und bei Alfred Schuhbeck, gehören zum exklusiven Angebot in der Lufthansa Firstclass-Lounge auf dem Münchner Flughafen.

Das ganze Jahr über ist Robert Gierer von morgens bis abends beschäftigt – mit dem Obstbau, vor allem aber der Brennerei und der Vermarktung seiner edlen Produkte. Und wenn dann doch mal Zeit übrigbleibt, verbringt er sie am liebsten mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern (sieben und fünf Jahre alt), geht mit Freunden ab und zu auf dem See zum Segeln oder fährt in die nahegelegenen Berge zum Skilaufen. Für seinen Beruf hat Gierer nach eigenen Worten eine brennende Leidenschaft entwickelt. Nie stand für den gebürtigen Lindauer in Frage, nach dem Abitur Obstbauer zu werden und in den Familienbetrieb, wunderschön gelegen oberhalb von Bodolz im Hinterland des Bodensees, einzusteigen. „In die Ferne hat’s mich sowieso nie gezogen. Hier ist es doch wunderschön. Wir wohnen am Happy End Deutschlands“, schwärmt er. Selbst seine Frau, die aus Kassel stammt, sei mittlerweile von der Bodenseeregion begeistert. Als Obstbaumeister hat Robert Gierer vor zwölf Jahren den Betrieb von seinem Vater übernommen. Aber schon lange vorher war er im Familienunternehmen tätig. Damals wurden bei Gierers, wie bei fast allen Obstbauern am See, auch ein, zwei Sorten Schnaps gebrannt: Wenn Zeit war und Äpfel und Birnen mit kleinen Makeln verwertet werden mussten. Beim jungen Obstbauern wurde schon früh die Leidenschaft fürs Brennen entflammt. Eine Frage trieb Robert Gierer aber immer stärker um: Wie gelingt es, uns von der Masse abzusetzen und unsere Produkte am Markt optimal zu positionieren? „Mir war klar, dass Top-Qualität immer funktioniert. Also wollte ich fortan das Beste aus der Frucht herausholen und weiche, milde Brände destillieren“, erklärt er heute. Um das zu lernen, nahm er Kontakt zu guten Brennern auf und tauschte sich mit Brennereiberatern aus. Nach und nach hat er auch die Brennerei auf dem eigenen Hof erneuert. „Ich war entschlossen, Erzeugnisse auf den Markt zu bringen, die weit über die Region hinaus geschätzt werden“, erzählt er. Das ist ihm gelungen. Mittlerweile bietet Gierer Edelbrände von höchster Güte an, von denen der halbe Liter zwischen 40 und 70 Euro kostet. Und längst sind es nicht nur Äpfel und Birnen, die in den Brenner kommen. Gierers Angebotspalette umfasst über 20 Produkte, reicht von Waldhimbeer-, Haselnuss- und Schlehenbrand über Raritätenbrände wie von der Zibarte, der Vogelbeere oder der Sauerkirsche bis hin zu Edellikören aus Weinbergpfirsichen oder Aprikosen. Dabei kauft er den Großteil der Früchte zu. Die Elstar Äpfel aber wachsen auf den Bäumen, die rund um den eigenen Obsthof stehen. Aus ihnen brennt Gierer den sogenannten Elvados. Diese Eigenkreation erinnert an Calvados – den französischen Apfelbrand –, ist aber im Gegensatz dazu ein sortenreines Destillat. Gierer verrät: „Der Elvados wird ausschließlich aus Elstar-Äpfeln gebrannt, lagert in Limousin-Eichenfässern, bietet ein Feuerwerk an hoch konzentrierten Aromen und hat schon so manchen eingeschworenen Whisky-Liebhaber überzeugt.“ Der sonst so redselige Edelbrenner gibt sich bei der Frage nach seinem Erfolgsrezept eher schweigsam. Auf die Güte der Früchte lege er größten Wert, erzählt er dann doch. Ausgereift und hocharomatisch müssen sie sein. Dass in der Brennerei sauber und hygienisch gearbeitet wird, verstehe sich von selbst. Das Entscheidende aber sei das richtige Timing, verrät Gierer. Bei ihm wird nicht gebrannt, wenn es gerade sonst nichts zu tun gibt, sondern immer während der abklingenden Gärung der jeweiligen Früchte. Erfolgreiche Brennmeister wie er verlassen sich dabei nicht auf den Kalender, sondern auf ihre Erfahrung und ihr Gefühl. Mindestens drei Jahre lagern Gierers Brände dann in Edelstahltanks und Eichenfässern, bevor sie in dekorative Flaschen abgefüllt werden.  Dieses Qualitätsstreben hat Gierer die Türen zu manch führendem Gourmet-Restaurant in Deutschland geöffnet. In der einschlägigen Literatur wird der Top-Destillateur vom Bodensee gerne zitiert, und auch in der Welt der Schönen und Reichen ist Gierer mit seinen edlen Bränden ein gern gesehener Gast, wie regelmäßig bei prominent besetzten Golfturnieren oder jüngst bei der exklusiven Uhrenmesse Munichtime.

Bodenständig ist der Mann vom See aber trotzdem geblieben. Als Mitglied der Lindauer Kleinbrenner hat er nicht nur seinen eigenen Erfolg im Kopf, sondern freut sich auch, wenn die ganze Region profitiert. „Es ist doch toll, wenn alle Gas geben und auch andere Brenner bemüht sind, ihre Qualität stets nach oben zu schrauben“, erklärt er. Ihm ist es wichtig, dass die Bodenseeregion auch als Genussregion wahrgenommen wird. „Und das kann man nur gemeinsam erreichen.“ Auch deshalb trifft er sich regelmäßig mit anderen Brennern rund um den Bodensee und nimmt an Verkostungstagen wie im schweizerischen Walzenhausen teil. Er selbst hat noch viele Ideen, was die Qualität seiner Brände sowie die Präsentation und Vermarktung seiner edlen Tropfen betrifft. Im großen Stil expandieren will Gierer aber auf keinen Fall. Exklusivität ist ihm wichtig. „Gesundes Wachstum – o.k. Aber ich möchte immer die versteckte Perle bleiben. Klein, aber fein.“ So wird der Obsthof Gierer mit seinen Edelbränden auch in naher Zukunft ein Familienunternehmen bleiben, in dem neben Aushilfskräften immer noch das ganze Jahr über Robert Gierers Eltern mitarbeiten, seine Frau im Büro tätig ist und zur Obsternte sogar die Schwiegereltern aus Hessen anreisen. Zur Höchstform läuft Robert Gierer auf, wenn Interessenten und Kunden bei ihm vorbeischauen. Vor acht Jahren hat er eine alte Scheune aufwendig und edel umgebaut. Heute finden hinter dicken Mauern mit schlossartigen Rundtorbögen und unter rustikalen Holzbalken der Verkauf, aber auch Verkostungen und Events für Gruppen und Firmen statt. Und dann ist der Nobelbrenner ganz in seinem Element. Mit großer Begeisterung kredenzt er seine edlen Tropfen, referiert über Aromen, Geschmacksknospen und das richtige Glas, fordert seine Gäste auf, sich Zeit zum Riechen zu nehmen – „70 Prozent des Genusses finden über die Nase statt“ –, die Frucht zu visualisieren und den Brand anschließend in vielen kleinen Schlucken zu trinken. Er brennt für seine Brände und hat riesigen Spaß daran, sich darüber von Genussmensch zu Genussmensch zu unterhalten.

Von Petra Lawrenz LZ-Menschen-29.12.12