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LZ – Gemeinden: Beim Familienfest mit Carolin Reiber ist Stühlerücken angesagt
BODOLZ – Das Eis haben sich Luisa und Julius Gierer hart verdient. Zwei Stunden sitzen, herausgeputzt im schicken Dirndl und fescher Lederhose, ohne zu plappern oder rumzuzappeln. Zwei Stunden zuschauen, wie wenige Leute einige Sätze sagen und viele Menschen hektisch rumrennen. Drinnen ausharren, wo draußen der Fußball und der City-Roller warten.
Und als dann endlich Papa von Carolin Reiber interviewt wird, ist das im Nebenzimmer. Und niemand darf rein. Dabei fing alles so spannend an, als vor zwei Tagen die Autos des Bayerischen Fernsehens auf den Obsthof Gierer rollten. Kilometerweise Kabel wurden verlegt, Fensterscheiben abgeklebt und Scheinwerfer aufgestellt. Alles, um den Obsthof, genauer das Gewölbe samt Probierstube der Edelbrennerei Gierer mit seinen hochprozentigen Leckereien ins rechte Licht zu rücken.
Denn hier wird die Bayerntour, ein Dauerbrenner des Bayerischen Fernsehens, aufgezeichnet. 30 Frauen und Männer aus Wasserburg und Bodolz dürfen dabei sein. Darunter auch die Bodolzer Bürgermeisterin Ursula Sauter und ihr Kollege aus Wasserburg, Thomas Kleinschmidt. Sie sitzen an den stilvoll geschmückten Tischen und warten gespannt darauf, dass etwas passiert. „Sie werden gleich erleben, wie es zugeht, wenn man eine Sendung aufzeichnet“, sagt die Chefin der Sendung, Carolin Reiber. Sie verspricht, was sich nach zwei Stunden Stühle rücken, Umbauen, Platzwechseln und einigen Wiederholungen kaum jemand vorstellen kann: „Am Mittwoch sieht das dann wie live aus.“ Die 13-jährige Elisabeth würde sich gern umsetzen. Ihr Tisch ist ihr zu zentral gelegen, und dann hat sie auch noch die Kleber am Boden entdeckt. Vor allem der neben ihrem Stuhl macht sie nervös: „Da steht Anmoderation drauf. Oh nein“, sagt sie und befürchtet, dass Frau Reiber höchstpersönlich neben ihr stehen wird. Und sie selbst somit mitten im Bild ist. Die Zuschauer bekommen genaue Instruktionen: Handy aus und auf keinen Fall in die Kameras schauen. „Bei Frau Reiber spielt die Musik“, sagt die Kamerafrau. Und natürlich darf das Publikum auch klatschen, aber bitte nur nach Ansage. Jede Sequenz, die im Kasten ist, wird von der Regie nebenan gleich überprüft. Im Zweifelsfall heißt es: noch einmal. Carolin Reiber fühlt sich wohl in der Rolle der Gastgeberin. „Es ist wie ein Familienfest“, sagt die Moderatorin, die sonst vor mehreren hundert Zuschauern steht. Ihr Dirndl hat sie in München gelassen, statt dessen Jeans und Blazer für den Auftritt am bayerischen Bodensee gewählt. Zwischen ihren Moderationen erzählt sie den Gästen, was diese gerade beklatscht, aber nicht gesehen haben. Denn die kurzen Filme, die das BR Team von Bodolz und Wasserburg gemacht hat, sind noch nicht fertig. Und so applaudieren die Zuschauer nach der bewegten Schifffahrt auf der Felicitas stürmisch. Das fordert Reiber aber auch ein: „Einige von uns waren kreidebleich. Die haben wir dann abends wieder mit Bodenseewein aufgebaut.“ Live dabei sind die Zuschauer nur bei zwei Interviews. Gastgeber Robert Gierer verrät Carolin Reiber nebenan die Geheimnisse der Edelbrennerei. Er plaudert über die Obsternte, Hagelnetze und die Lagerung von Äpfeln, erklärt den Unterschied zwischen Schnaps und Edelbrand. „Wenn man daran riecht, muss man das Gefühl haben, dass man reinbeißen will“, sagt Gierer, dessen edle Tropfen sogar beim Münchner Sternekoch Alfons Schuhbeck serviert werden. Was Gierer nicht verrät, ist, wie sein kunstvoll in Holz verpackter Elvados, Elstar-Äpfel im Eichenfass gereift, da rein kommt. Klar ist nur: Wer ihn trinken will, der muss den Holzblock aufsägen. Fernsehen bedeutet Bewegung. Das bekommt ein 96-jähriger Bodolzer leibhaftig zu spüren. Mal lässt ihn die Kamerafrau weiter nach links, dann wieder nach rechts rücken. Der alte Herr nimmt‘s gelassen. Fernsehen zuhause ist wesentlich gemütlicher. „Wir sind doch nicht im Westallgäu“ Nun müssen auch die Bürgermeister in die zweite Reihe. Neben Elisabeth wird nicht Carolin Reiber, sondern nur eine Kamera platziert – Erleichterung bei der 13-Jährigen. Inzwischen sind die Kameras auf Helmut und Helga Ehrle, die Betreiber der Wasserburger Garteneisenbahn, gerichtet. Der Elektroniker spricht über sein Faible für Dampfloks, an denen er jahrelang tüftelt. Carolin Reiber sitzt auf ihrem Spickzettel. Doch den braucht sie nicht. Reiber ist ein Vollprofi. Sie kann ihr Lächeln mit der Kamera anund ausknipsen, wiederholt ihren Moderationstext mit stoischer Ruhe, ohne sich zu versprechen. Nur einmal, da sagt sie was, was dem Publikum nicht gefällt: „Hier im Westallgäu.“ Prompt folgt Gemurmel aus der Bodolzer Ecke. „Wir sind doch nicht im Westallgäu.“ Allzu lange nehmen die Zuschauer das der Frau Reiber aber nicht krumm. Als die dann auch noch schnell fürs MDR Volksmusikerin Stefanie Hertel Glückwünsche zum Bühnenjubiläum in die Kamera säuselt, stehen ihr die Wasserburger und Bodolzer wunschgemäß bei. „Wenn Sie dann applaudieren würden, bin ich aus der Nummer raus“, sagt Carolin Reiber trocken. Und Elisabeth hofft wieder einmal, nicht gesehen zu werden. Nicht bei der Volksmusik Nummer. Als alles im Kasten ist, bedankt sich die Fernsehfrau artig: „So eine Bayerntour könnte es öfters geben.“ Das sehen Luisa und Julius sicher anders. Die beiden stürmen nach draußen, genießen ihr Eis und toben mit ihren Rollern über den Hof. Da kann Fernsehen nicht mithalten.
Von Yvonne Roither